Wie die Werbung der 70er den Leuten den Mund wässrig machte

Mir fällt immer wieder auf: Rund drei Viertel aller Websitebesucher lesen bloß die Startseite, höchstens ein Viertel liest (ein bisschen) weiter.

Einer der Gründe: Die Überschrift und der Starttext sind so austauschbar, so langweilig, so nichtssagend, dass sie sich auch von der restlichen Seite keine interessanten Informationen erhoffen.

Diese Gefahr bestand auch in den 70-ern des vergangenen Jahrhunderts schon. Damals gab es zwar noch keine Websites, dafür aber jede Menge Anzeigen, Funk- und TV-Spots.

Und deren Texter standen beim Verfassen ihrer Claims, Slogans, Headlines und Texte vor dem gleichen Dilemma wie wir Texter von heute bei unseren Websites:

Sie mussten Aufmerksamkeit erzeugen, Interesse wachrufen, das Verlangen des Kunden nach dem Produkt oder der Dienstleistung wecken und ihn zur gewünschten Handlung animieren.

Wie sie diese Aufgaben gemeistert haben? Hier ein paar Beispiele:

Erstes Beispiel

Genau wie die Anbieter von heute hatten auch die in den 70ern die gefährliche Neigung, ihre Leistung bzw. ihr Produkt über dessen Funktion statt über seinen Nutzen darzustellen. Doch dadurch werden Headlines viel zu allgemein und denen der Mitbewerber zum Verwechseln ähnlich. Deshalb haben sich die Könner auch damals schon an ihrer Zielgruppe, deren Problemen und ihrer Ausdrucksweise orientiert. Da hieß es zum Beispiel nicht: „“Hautglatt. Und Ihre Pickel verschwinden im Nu“, sondern: „Tschüß, ihr blöden Pickel!“

Beispiel 2

Genau wie heute hat auch in den 70ern kein Mensch an einen „Weißen Riesen“ in der Waschmaschine oder einen in den Tank gepackten Tiger geglaubt – aber viele an die besondere Reinigungs- oder Antriebskraft der betreffenden Marken. Dabei galt: Wer ein glaubwürdiges Produkt hat, kann es durch ein Sinnbild veranschaulichen. Aber kein Sinnbild kann ein fragwürdiges Produkt glaubwürdig machen.

Beispiel 3

„Mehr EDV-Know-how für Steuerberater“ klingt thesenartig, statisch, langweilig und ist beliebig austauschbar. Die rhetorische Formulierung „Ungeprüfte EDV? Dann gute Nacht, Herr Steuerberater“ wirkte da sehr viel interessanter. Sie sagt nämlich nicht, was sein soll, sondern, was ist, wenn das, was sein soll, nicht ist.

Viertes Beispiel

Auch „Kartoffelpuffer der Extraklasse“ war so unspezifisch und damit so austauschbar, dass ein pfiffiger Kollege es lieber so ausdrückte: „Mit solchen Kartoffelpuffern hat sich Ihre Oma einst Ihren Opa geangelt!“

Fünftes Beispiel

Eine tolle Headline war auch: „Wie gut Ihr Autoradio ist, merken Sie erst in einer Talsohle“. Denn je konkreter und prägnanter eine Headline, desto eher dringt sie ins Bewusstsein des Kunden. Er kann sie nicht nur blitzschnell nachvollziehen, sondern erinnert sich auch an sie. Und vor allem: sie lässt sich (fast) endlos wiederholen, ohne ihre Kraft zu verlieren. Wischi-waschi-Aussagen sind hingegen Schall und Rauch.

Beispiel 6

„Dieses Getränk ist so gut wie kalorienfrei“ war (und ist) viel zu kompliziert. Damit eine Überschrift leicht verstanden wird, muss sie aber möglichst einfach sein. Nur dann kann der Leser das Wesentliche und dessen Vorzüge sofort erkennen, verstehen und sich so spontan für oder gegen das Angebot entscheiden. Also hieß es: „Bioline hat nur 1 Kalorie pro Glas.“

Beispiel 7

Sobald ein Mann anstelle Ihres Gesichts Ihr Make-up wahrnimmt, hat Ihre Schminke ihr Ziel verfehlt“ war zwar sehr lang, traf (und trifft) aber genau das Interesse einer Frau.

Und noch ein letztes Beispiel

Jede gute Headline lebt davon, dass sie „unvollständig“ ist: eine Art Spiel-Raum, in den der Kunde seine persönlichen Gedanken und Gefühle einbringen kann. Denn kann er das nicht, lässt sie ihn kalt. Deshalb hieß es nicht: „Der ideale BH. Sitzt wie angegossen“ sondern: „Als wär’s ein Stück von mir!“

Die 70er waren einmal …

Heute geht es darum, Ihr Websiteangebot so zu formulieren, dass es Ihre Besucher trotz bzw. gerade  weg en ihrer drastisch nachlassenden Aufmerksamkeit möglichst schon auf der Startseite buchstäblich vom Hocker reißt!

Ich berate Sie gern: 0152/29713247.